Ein Garten steht nicht still. Er ist kein an der Wand hängendes Bild.

Auch wenn wir uns nicht als Pflanzensammler verstehen, so mussten wir 2010 doch mit Erstaunen feststellen, dass wir die stattliche Anzahl rund eintausend neugepflanzter Arten und Varietäten zu verzeichnen haben, seitdem wir 2004 anfingen, eine Liste unserer Neuzugänge zu führen. Wohlgemerkt, dies sind allein die Pflanzen, die wir in den vergangenen sechs Jahren durch Tausch oder Kauf erworben bzw. selbst durch Aussaat oder vegetative Vermehrung hinzu gewonnen haben. Hätten wir ein Gesamtverzeichnis, so dürfte es sich schätzungsweise auf um die 1.500 Gehölze, Halbsträucher, Stauden, Kletter- und Zwiebelpflanzen usw. belaufen, ein- und zweijährige Pflanzen nicht mitgerechnet.

Einige unserer Asternauslesen - 28.Okt. 2010

Tatsächlich hat jedoch unser Garten keine wie auch immer gearteten Sammlungsaufgaben zu erfüllen. Er ist kein insgeheimes Museum, in dem Pflanzen oder gar Gartenkonzepte und "Gestaltungsideen" ausgestellt werden sollen, sondern ein in Übereinkunft bzw. Auseinandersetzung mit seinen Besitzern sich entwickelnder, d. h. Veränderungen geplanter wie ungeplanter Art lebendig vollziehender Organismus. Insofern täuschen gewissermaßen auch die auf unserer Garten-Homepage gezeigten Bilder einen Zustand der Endgültigkeit vor, der in Wirklichkeit nicht gegeben ist. Vieles, was ihnen zu entnehmen ist, ist vorläufiger oder vorübergehender Art, und der Betrachter wäre gut beraten, sich bewusst zu machen, dass auch bei uns nichts bleiben wird wie es ist.

Hemerocallis ‘Pienes Liebling’ - 09. Aug. 2010

Ohne Raritätenjäger zu sein, reizt es uns jedoch immer wieder, auch für uns neue Arten und Varietäten zu versuchen, darunter auch solche, die - selbst im Weinbauklima und unter den günstigen Bedingungen eines geschützten Innenhofes - nur grenzwertig winterhart sind.

Naturgemäß kann letzteres nicht immer gut gehen, und wir fänden es falsch, nur über die Versuche zu berichten, bei denen es tatsächlich gut gegangen ist, denn man lernt bekanntlich aus Fehlern. Aber auch wo wir mit nur bedingt winterharten Stauden und Gehölzen im Einklang mit den hiesigen, besonderen Kulturbedingungen und unseren gärtnerischen Erfahrungen erfolgreich kultivieren, muss dies nicht heißen, dass der Anbau heikler Pflanzen sich ohne weiteres mit denselben Ergebnissen auf andere Gärten übertragen lässt. Auch wenn alle äußeren Randbedingungen gärtnerischer Versuche mit den unsrigen übereinstimmen würden, was kaum vorstellbar ist, kommt es an entscheidender Stelle immer auch auf das Einfühlungsvermögen, die Wachsamkeit und sorgfältige Tatkraft sowie nicht zuletzt auf das individuelle Geschick des Gärtners ungleich mehr an, als auf statistisch erfassbare Daten wie Niederschlagsmengen, Boden-ph-Werte oder Klimazonen. Ohne Inspiriertheit und Empathie gibt es kein gärtnerisches Gelingen. Wir kennen einen im Lesen dendrologischer Fachpublikationen beschlagenen, von Sammelwut besessenen Privatgartenbesitzer, der uns voller Stolz versicherte, er habe bei seinen Versuchen, Franklinia alatamaha im eigenen Garten anzusiedeln, bereits 11 Exemplare umgebracht, was aber nicht schlimm sei, da er das 12. schon bestellt habe. Für jeden nicht mit demselben narzisstischen Wahn Geschlagenen liegt auf der Hand, was hier offensichtlich falsch läuft. Entweder hat der unerbittliche Vernichter dieses begehrenswert schönen Gehölzes mehr Geld als Verstand, um sich einzugestehen zu können, dass sein gärtnerisches Vermögen an dessen anspruchsvolle Erfordernisse nicht heranreicht, oder das empfindliche - sogar am natürlichen Standort bereits ausgestorbene - Teebaumgewächs ist auf Lössboden im lufttrockenen Weinbauklima schon aus objektiven Gründen nicht zu erhalten. Kommt, wie im genannten Beispiel, beides zusammen, werden Sammler zu Hasardeuren.

Einfachblühende Dahliensämlinge und Caryopteris x clandonensis ‘Goldkissen’ - 27. Sept. 2010

Unsere Neugier verführt uns jedoch nicht dazu, Pflanzen zu verschmähen, nur weil sie auch in Nachbars Garten stehen oder doch wenigstens dort stehen könnten. Umgekehrt zögern wir auch nicht, uns von manch einer Rarität oder anderswo vielbesungenen Pflanze, die uns infolge ihrer mangelnden Eignung für die hiesigen Gartenverhältnisse enttäuschten, wieder zu trennen. So dürften beispielsweise im Laufe der Zeit um die 30 Asternarten bzw. -sorten, die wir ausprobiert hatten, den Weg zum Kompostplatz gefunden haben. Stattdessen haben wir heute neben den wenigen im Handel befindlichen, die unseren Ansprüchen genügen, eine ganze Reihe hier entstandener Kultivare im Garten, und fast jedes Jahr lesen wir ein bis zwei weitere aus der Fülle immer wieder neuer Formen aus, um sie über längere Zeit zu erproben.

Dem Besucher unserer Homepage wird nicht entgangen sein, das wir den Astern eine bedeutende Rolle im herbstlichen Garten einräumen. Besucher des Gartens selbst, die im Frühjahr oder Sommer zu uns kommen und ihn auch schon im Herbst gesehen haben, fragen oft verwundert, wo denn unsere vielen Astern seien. Nein, wir haben sie natürlich nicht zugunsten anderer Pflanzen entfernt. Sie gehören einfach zu den Stauden, die sich bescheiden zurückhalten, inmitten früherblühender Stauden gewissermaßen unsichtbar bleiben, bis ihr großer Auftritt gekommen ist.

Gesunde, ca. 70cm hohe und reichblühende Asternauslese aus dem Jahr 2006 - 10. Okt. 2007

Unser besonderes Augenmerk gilt den Pflanzenzusammenstellungen, anders gesagt der Vergesellschaftung unterschiedlicher Pflanzen, wobei wir, ausgehend von anfänglichen Verlegenheitspflanzungen - die lediglich deren vorläufiger Unterbringung im Boden geschuldet waren -, so manche überraschende Erfahrung bezüglich des sowohl ästhetischen als auch gartentechnischen Gelingens mehr oder weniger zufälliger "Kompositionen" machen durften. Nicht alles ging dabei ohne Verlust oder auch Korrektur ab, aber die ehernen Gesetze der Staudenkennzahlen, die dem beauftragten Gartengestalter womöglich eine solide Handreichung für halbwegs verlässliche Herstellung oder auch pflegearme Unterhaltung bieten dürften, haben wir längst ohne Reue hinter uns gelassen. Die mit trial and error verbundene Mehrarbeit nehmen wir gerne in Kauf, gehört sie doch zu dem wenigen Luxus, den wir uns leisten: demjenigen, Erfahrungen machen zu können, die einem verschlossen bleiben, solange man sich am Gängelband irgendeines Schematismus durch die Gartenwelt führen lässt.

Sorbus-Sämlinge unterschiedlicher Abstammung - 28. Okt. 2010

Alle Pflanzen, mit Ausnahme dreier großer Kiefern, die mit dem Radlader transportiert und eingesetzt werden mussten, sind von uns eigenhändig gepflanzt worden. Ein gutes Drittel davon dürfte selbstgezogen sein, aus Samen, Stecklingen oder Teilstücken. Wir vermehren häufig Pflanzen für den eigenen Bedarf, sei es, um die Bestände nach Ausfällen aufzufüllen, Bestandsveränderungen vorzunehmen, oder um bislang nicht Erprobtes bezüglich seiner Tauglichkeit für unsere speziellen Bedürfnisse und Bedingungen ausprobieren zu können. Hieraus entstand allmählich der Gedanke, dass eine ganze Reihe dessen, was im Laufe der Jahre auf dem eigenen Mist gewachsen ist, es doch auch wert sein könnte, über unseren Garten hinaus verbreitet zu werden.

Dahliensämling aus dem Jahre 2010

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